[Plauderecke] #ioleggoacasa

SammlungItalienischerBücher

In den vergangenen Tagen wurde sehr viel über die abgesagte Leipziger Buchmesse diskutiert und über die (finanziellen) Probleme, die daraus vor allem für Kleinverlage und Self-Publisher entstanden sind. Es wurde gehäuft auf Aktionen und Initiativen hingewiesen, die versuchen den Schaden aufzufangen und zu minimieren. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, dem empfehle ich, einen Blick auf den folgenden Beitrag von Yvonne (aka Seitenglück) zu werfen oder auf der eigens für die Aktion entworfene Homepage vorbeizuschauen:

Jetzt werfen wir einen Blick auf die italienische Literaturszene

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Wer meinen Blog aufmerksam liest, dem ist nicht entgangen, dass ich auch sehr viele italienische Romane lese und rezensiere. Daher halte ich mich auch immer über die italienische Literaturszene auf dem Laufenden.

Aus den Medien wissen wir, dass Italien inzwischen zu den internationalen Risikogebieten zählt. Die Zahlen der Erkrankten und der Verstorbenen, die das Robert-Koch-Institut und die italienische Regierung veröffentlichen, lassen mein Herz bluten. Im Gegenteil zur deutschen Politik ist die italienische Regierung konsequent: Schulen und Universitäten wurden geschlossen, Sperrzonen wurden errichtet, Ausgangssperren verhängt usw.

Und deshalb wurden auch in Italien zahlreiche (Buch- bzw Verlags-)Messen abgesagt bzw. verschoben:

Ihr seht also, der italienischen Buchbranche geht es gerade genauso an den Kragen wie unserer.

Aktionen und Initiativen

In der italienischsprachigen Buchcommunity ist im Zuge all dieser drastischen Maßnahmen, dramatischen Entwicklungen und den Empfehlungen der Regierung, der Hashtag #ioleggoacasa (übs „Ich lese zuhause“) entstanden. Eine Variante davon lautet #iorestoacasa (übs „Ich bleibe zuhause“) und #iorestoacasconunlibro (übs „Ich bleibe mit einem Buch zuhause“). Denn wenn man schon daheim bleiben muss, dann kann man die Zeit ja auch sinnvoll nutzen… lesend nämlich. Darin sind wir uns wohl alle einig.

#ioleggoacasa

#iorestoacasaconunlibro

Zusätzlich hat sich der unabhängige italienische Buchhandel zusammengeschlossen und weist verstärkt auf seinen Lieferservice hin. Damit ist aber nicht irgendein Lieferservice gemeint. Die italienischen Buchhändler legen sich richtig ins Zeug: Einige versorgen die Leser in ihren Mittagspausen mit neuem Lesestoff, indem sie sich auf ihr Fahrrad schwingen und die Bücher eigens ausliefern. Andere Buchhandlungen organisieren Online-Lesegruppen und einigen Kommunen veranstalten auch Online-Lesungen. Respekt! Auf diese Weise soll die Beziehung zum Lesepublikum gestärkt, die Einsamkeit und Angst, die die Ausbreitung des Virus verursacht, bekämpft und die Kultur hochgehalten werden. Diese Hashtags dienen aber auch einem anderen Zweck: Sie sind ein Appell an die Gesellschaft zuhause zu bleiben, Abstand zu halten und die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Mehr Infos zur Aktion #ioleggoacasa, der Aktion des italiensichen Buchhandels und einer langen Buchempfehlungsliste findet ihr hier #ioleggoACASA : noi restiamo a casa, i libri ce li portano loro! – Giulia Ciarapica und hier Libri a domicilio: quali librerie offrono questo servizio per far fronte all’emergenza Coronavirus. Die Inhalte sind auf Italienisch (bei Bedarf kann ich bei der Übersetzung helfen).

Klassiker sind hochaktuell

Eine weitere kuriose Entwicklung betrifft die Verkaufszahlen des RomansDie Pest“ von Albert Camus (1947), die sich in den letzten Wochen erhöht haben. Und in der Tat die drei größten italienischen Online-Buchhändler LaFeltrinelli, Mondadori und IBS führen diesen Roman in ihren Bestsellerlisten (Stand: 13.03.2020, 15:31 Uhr). Weitere Bücher auf die im Rahmen der Krise ebenfalls hingewiesen werden, sind „Die Stadt der Blinden“ (1995) von José Saramago und „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ von Gabriel García Márquez (1985). Auch die deutschen Medien haben diese Entwicklung aufgegriffen:

Aber nicht nur fremdsprachige Romane, in denen verheerende Krankheiten eine übergeordnete Rolle spielen, liegen hoch im Kurs. Auch zwei Klassiker der italienischen Literatur tauchten bei meinen Recherchen zu diesem Beitrag immer wieder auf. Und zwar „Das Dekameron“ von Giovanni Boccaccio (entstanden zwischen 1349-1353) und „Die Brautleute“ von Alessandro Manzoni (entstanden 1827, 1840-1842).

„Das Dekameron“ von Giovanni Boccaccio, einer der Tre Corone, handelt von der Pest, welche im Jahr 1348 in Florenz wütete und eine unzählbare Anzahl von Opfern forderte. Sieben Frauen und drei Männer flüchten auf ein Landhaus unweit von Florenz. Dort bestimmen sie jeden Tag einen der Anwesenden zum König bzw. zur Königin. Diese Person bestimmt einen Tag lang das Thema der Geschichten, die ein jeder der Gruppe erzählen muss. Nach 10 Tagen (und 10×10 Novellen) kehren die jungen Leute nach Florenz zurück (In den Sozialen Medien schlagen junge Leute mehr oder weniger scherzhaft vor, sich ebenfalls auf diese Art und Weise zu verschanzen und so die Krankheit auszusitzen – keine schlechte Idee…).

„Die Brautleute“ von Alessandro Manzoni spielt im Herzogtum Mailand, welches um 1630 von den Spaniern beherrscht wurde. Im Mittelpunkt stehen Renzo und Lucia, ein junges Paar, die einander in Liebe versprochen sind und heiraten wollen. Doch der Feudalherr Don Rodrigo möchte dies verhindern, weil er Lucia für sich beansprucht. Das Paar wird getrennt: Lucia versteckt sich in einem Nonnenkloster und Renzo verschwindet nach Mailand. Doch auch im Nonnenkloster ist Lucia nicht sicher vor Don Rodrigo: er entführt sie. Und so entwickelt sich die Handlung bis sie auf dem Hintergrund der Mailänder Pestepidemie des Dreißigjährigen Krieges endet.

Was haben diese Werke gemeinsam? Beide Werke handeln von der Pest und schildern eindrucksvoll und anschaulich all die Ängste, Probleme und Hoffnungen, die unsere Gesellschaft momentan (in einem kleineren Rahmen) quälen und beschäftigen. Daher ist es kein Wunder, dass die zwei Romane in diesen Wochen wieder in den Vordergrund gerückt sind. Ich kenne beide Werke aus dem Studium und sie zählen nicht grundlos zu den einflussreichsten Werken der italienischen Literaturgeschichte und der Weltliteratur.

Was können wir aus diesen Werken mitnehmen? Ich will gar nicht groß rumphilosophieren, denn das können andere viel besser… Aber diese literarischen Werke zeigen uns, nicht nur, dass die Menschheit schon schlimmere Zeiten erlebt hat, sondern auch, und das hat Stefano Albertini sehr treffend in einem Satz zusammengefasst, den ich euch nicht vorenthalten möchte:

„Dopo la peste nera del Trecento arrivò l’esplosione di arte e cultura del nostro Rinascimento; dopo la peste di Milano arrivò l’Illuminismo e la rivoluzione scientifica.“ (Quelle)

„Nach der Pest im 14. Jahrhundert erblühte die Kunst und Kultur unserer Renaissance explosionsartig auf; nach der Mailänder Pest brach das Zeitalter der Aufklärung an und es kam zur naturwissenschaftlichen Revolution [der Frühen Neuzeit].“ (freie Übersetzung von mir)

Und was bedeutet das für uns? Ganz einfach! Es kommen auch wieder bessere Tage (und das gilt ganz sicher nicht nur für Italien, sondern auch für die restliche weite Welt)!

Und bis dahin, schlagt ein Buch auf und verschwindet zwischen den Seiten. Denn es stimmt, wenn man in seinen vier Wänden eingeschlossen ist, können ein Buch und ein bisschen Fantasie, uns an jeden Ort und in jede Zeit dieser Welt und jeder anderen Welt bringen.

Zum Schluss noch eine kleine Anregung meinerseits: Ich fände es schön, wenn sich auch Bibliotheken diesen Aktionen und Initiativen anschließen würden. Dann hätten die Leute mit einem kleinen Geldbeutel auch etwas davon. Egal ob in Deutschland, in Italien oder sonst wo.

Haltet die Fahne der Literatur hoch – egal in welcher Sprache. Bleibt gesund!

Und jetzt zu euch: Habt ihr euch schon einen Büchervorrat angelegt? Und was haltet ihr von den italienischen Aktionen und Initiativen? Erzählt es mir doch in den Kommentaren.. 

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