[Rezension] Blood Moon

Blood Moon – Lucy Cuthew

Ein rosafarbenes Buch auf einer dunkelgrauen Wolldecke, sie wirft viele Falten. Links daneben steht eine Tasse mit Tee. Auf dem Cover ist ein dunkelroter Blutfleck abgebildet, in dem in weißer Schrift der Titel des Buches steht. Darunter befindet sich der Name der Autorin

Verlag: Walker Books | Seiten: 416
Erschienen: 2020

Kurzbeschreibung
Als Frankie zum ersten Mal mit Benjamin intim wird, passiert es: sie bekommt ihre Tage. Doch die beiden machen darüber kein großes Aufsehen, denn es ist ja nur Blut. Doch ein paar Tage später taucht ein Meme im Internet auf, geht viral und macht aus dem intimen Moment etwas Schamvolles, Ekelerregendes. Dabei ist es doch wirklich nur ein bisschen Blut… oder etwa nicht?


Meine Meinung
Young Adult ist für mich Einheitsbrei geworden. Immer dieselben Storylines, immer dieselben stereotypen Charaktere und immer dieselben langweiligen Motive. Daher war ich ziemlich skeptisch als ich zum ersten Mal von „Blood Moon“ hörte. Dennoch wollte ich das Buch unbedingt lesen, weil die Menstruation ein Thema ist, mit dem ich mich seit dem Absetzen der Anti-Baby-Pille und dem Wechsel auf die Kupferkette vor knapp zwei Jahren immer mehr beschäftige. Und obwohl ich um YA normalerweise einen großen Bogen mache, habe ich für dieses Buch eine Ausnahme gemacht – zum Glück! Denn es hat mich mit der Nase darauf gestoßen, dass ich noch sehr viel zu lernen habe und noch viel an meinem Selbstbild arbeiten muss. Es war für viele Überraschungen gut.

Der Einstieg in die Geschichte war ungewöhnlich. Die Autorin erzählt die Geschichte mittels freier Verse, also Prosatext in Versform. Mich erinnert dieses Layout an einen Chat- oder Messenger-Verlauf, denn der Text ist im Wechsel mal rechts, mal links ausgerichtet. Mit diesem Layout nimmt die Autorin die heutige Online- und Jugendkultur auf. Da es ein Jugendbuch ist, in dem es hauptsächlich um Online-Shaming geht, ergibt der Einsatz dieser Erzählform durchaus Sinn. Die Autorin spielt nicht nur mit der Textform, sondern auch mit der Typographie. Das Gesagte, das Gefühlte unterstreicht sie mit verschiedenen Schriftarten, -größen, mit Kapitälchen, der Laufweite, der Spationierung, der Schattierung/Farbgebung. Sie setzt damit Akzente und schafft es gelegentlich mehr auszudrücken als Worte oder tiefsinnige Formulierungen könnten.

Wenn man sich erst mal an das Layout gewöhnt hat, kommt man beim Lesen sehr schnell voran – man fliegt quasi durch die Seiten. Das liegt zum einen an der Sprache, die sehr eingängig und einfach gehalten ist, aber nicht flach daherkommt. Und zum anderen liegt das an der Geschichte an sich, die einen emotional mitnimmt und nicht mehr loslässt. Für mich war die Lektüre von „Blood Moon“ ein Wechselbad der Gefühle.

Zwar folgt die Geschichte einem typischen erzählerischen Muster und von daher war der Verlauf von Anfang an ein wenig vorhersehbar, aber das fand ich verzeihbar, denn das hat den Wert der Geschichte keinen Abbruch getan oder die Spannung gemindert. Grundsätzlich stellt das Buch die Frage, ob es in Ordnung ist, während der Periode mit jemandem intim zu werden. Die Antwort der Gesellschaft lautet in diesem Zusammenhang: Nein, das ist ekelhaft und man sollte sich schämen. Die Reaktionen sind eindeutig: Tabuisierung der Periode, Mobbing, Cyber-Bullying, Hate Speech, Trolling, Slut-Shaming, Body-Shaming. Wichtig zu erwähnen, dass sich der ganze Hass auf die Frau konzentriert, nicht auf den Mann. Das Buch entlarvt somit auch einen typischen (ekelhaften) gesellschaftlichen Mechanismus.

Was mir an den Figuren, dem Setting und den allgemeinen Rahmenbedingungen der Geschichte sehr gut gefallen hat, war dass sie austauschbar sind. Das verdeutlicht einfach, dass das, was Frankie passiert ist, jeden (jederzeit, egal wo) treffen kann. Mich, dich, deine beste Freundin. Das bringt die Geschehnisse nochmal näher an den Leser/die Leserin heran und überträgt auch Verantwortung auf ihn/sie.

Scham ist ein mächtiges und zerstörerisches Gefühl, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Nicht nur hinsichtlich der Periode, sondern hinsichtlich vieler anderer Bereiche der sexuellen Intimität. Ich war sehr überrascht darüber, wie unaufgeregt die beiden Teenager waren als Frankie ihre Tage bekam, so als wäre das tatsächlich nichts, worüber man sich einen Kopf machen müsste. Und das ist es ja auch nicht – denn Periodensex ist vollkommen in Ordnung (wenn man es mag). Meine Reaktionen (Entsetzen und Scham) haben mir eindeutig gezeigt, dass da noch ein weiter Weg vor mir liegt. Denn es geht genau darum, diese Denkmuster herauszufordern und zu durchbrechen. Und das macht dieser Roman auf eine sehr überzeugende Art und Weise.

„Blood Moon“ bespricht aber nicht nur negative Aspekte, sondern auch Themen wie Freundschaft, Selbstliebe, Solidarität und feministisches Empowerment. Was ich in diesem Zusammenhang dennoch ein wenig problematisch fand, war die Freundschaft zwischen Frankie und ihrer besten Freundin. An einem gewissen Punkt in der Geschichte kritisiert Frankie ihre Freundin sehr hart und ja vielleicht ein wenig zu hart, aber die Kritik war meiner Meinung nach gerechtfertigt. Als beste Freundin muss man seiner besseren Hälfte auch die Fehler aufzeigen dürfen und das dürfte die Freundschaft nicht belasten, geschweige denn sie kaputt machen. Mir ist klar, dass dieser Umstand für die weitere Handlung erforderlich war. Der Streit bzw. die Kritik hätte meiner Meinung nach anders dargestellt und reflektiert werden sollen. Denn bei einer Freundschaft geht es nicht darum, die andere Person immer zu unterstützen (à la komme, was da wolle); sondern auch mal zu sagen: „Hör auf damit, sonst machst du dir dein Leben kaputt“.


Mein Fazit
Es ist nicht nur ein Buch für junge Menschen, sondern für alle, für die gesamte Gesellschaft. Es ist ein aufklärerisches, mutiges und feministisches Buch; genau das, was wir jetzt brauchen. Die Geschichte um Frankie hat viel mit mir gemacht. Der Roman hat Ängste wachgerüttelt, aber er hat mich auch zum Nach- bzw. Umdenken gebracht. Das ist mal ein YA-Roman, der unbedingt verfilmt werden sollte. „Blood Moon“ ist ein Buch, das sich sehr schnell liest, es tut niemandem weh; ganz im Gegenteil, es kann Schlimmes verhindern. Von daher: Absolute Leseempfehlung.

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