[Rezension] Das Buch der tausend Türen

Das Buch der tausend Türen – Gareth Brown

Man betrachtet das Buch durch ein Schlüsselloch.

Verlag: Bantam | Seiten: 408
Erscheinungsjahr: 2024

Kurzbeschreibung

Die New Yorker Buchhändlerin Cassie führt ein ruhiges Leben: Sie teilt sich ihre Wohnung mit ihrer besten Freundin Izzy und erfreut sich an der Gesellschaft ihrer Bücher. Als sie von ihrem Lieblingskunde ein besonders kurioses Buch erhält, gerät ihr Leben aus den Fugen: Bei dem Buch handelt es sich um das Buch der tausend Türen, das aus jeder Tür eine beliebige Tür macht und den Träger an einen Ort seiner Wahl führt. Das Buch der tausend Türen eröffnet Cassie eine Welt voller Magie und Wunder, doch unbekannte Gefahren lauern in den dunklen Straßenecken New Yorks. Und die Schatten sind bereit alles zu tun, um das Buch der Bücher in die Finger zu bekommen.


Meine Meinung

Wenn ihr das Buch der tausend Türen in die Hände bekommen würdet, würdet ihr es nutzen? Und wohin würde die erste Tür führen, die ihr damit öffnet?

Mich hat die Idee des Buches der tausend Türen vom Fleck weg fasziniert: Das Buch der tausend Türen ist der Inbegriff von Eskapismus. Und das ist genau das, was ich in den letzten Wochen gebrauchen konnte. Leider ist meine Begeisterung zwischen den Seiten langsam aber sicher abhandengekommen.

Den ersten Dämpfer erhielt meine Begeisterung als Cassie mithilfe des Buches eine Tür öffnete und diese sie in eine kleine venezianische Gasse führte. Aber war es wirklich Venedig? Das Gefühl hatte ich nicht: Die Beschreibungen waren leider viel zu generisch, oberflächlich und haben mich in Gedanken überhaupt nicht in die Stadt des Mondes versetzt. Dieses Manko zog sich leider durch den gesamten Roman: Dafür, dass es ein Fantasy-Roman ist fehlten mir lebendige, eindringliche und zum Eintauchen einladende Beschreibungen. Sei es bei Ortsbeschreibungen oder Charakterisierungen.

Letzterer Mangel war besonders offensichtlich bei der Protagonistin Cassie und ihrer besten Freundin Izzy. Sie sind beste Freundinnen, aber so wirklich spürt man diese Freundschaftsgefühle nicht. Ich hätte mir gewünscht, wenn der Autor der Freundschaft ein bisschen mehr Platz eingeräumt hätte. Cassies Beziehung zu ihrem Großvater war hingegen sehr gefühlvoll gestaltet und hat mich sehr berührt.

Worin sich der Autor wirklich ausgelassen hat, war die Gestaltung der „Frau“ oder nein, sagen wir beim Ausdenken ihrer Grausamkeit. Ich fand es leider auch etwas plump, dass diese weibliche Gegenfigur größtenteils nur auf ihre Geschlechtsbezeichnung reduziert wurde und auch ihre Äußerlichkeiten wurden zu stark in den Vordergrund gestellt (wie bei den anderen weiblichen Figuren auch – leider). Wie dem auch sei, die „Frau“ handelt sehr brutal, fast schon sadistisch und beim Lesen der Beschreibungen drehte es sich mir schon häufig der Magen um. Meine Güte! Diese Beschreibungen sind dem Autor etwas zu gut gelungen…

Eine weitere, vom Autor absichtlich unausstehlich gestaltete Figur, macht am laufenden Band rassistische und sexistische Bemerkungen. Mal abgesehen davon, dass man über die Verwendung von rassistischen Beleidigungen in Romanen viel diskutieren kann, war es auf Dauer einfach anstrengend und nervig. Kann man Rassismus/Sexismus nicht auch anders erzählerisch gestalten? Muss es so plump und derb sein? Und ohne viel zu spoilern: mit der Charakterentwicklung dieser Figur war ich ziemlich unzufrieden und auch damit wie diese Figur die Entwicklung einer anderen beeinflusst hat – meh!

Insgesamt waren die Figuren eher mittelmäßig. Cassie, Drummond und die „Frau“ stechen aus dem Figurenkanon sehr stark heraus. Sie weisen interessante Züge auf und die Geister ihrer Vergangenheit, ihre Motivationen und ihre Sehnsüchte werden im Verlauf der Lektüre deutlich, aber ich fand sie dennoch nicht sonderlich einnehmend.

Neben dem Buch der tausend Türen gibt es noch zahlreiche weitere magische Bücher zB das Buch der Schmerzen, der Freude oder der Schatten. All diese Bücher, die mit spezifischen Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten aufwarten, sind die Stärke dieses Romans. Sie eröffnen ein riesiges Universum unzähliger Erzählungen und ich bin wirklich gespannt, ob der Autor noch tiefer in diese Welt eintauchen und die Magie der Bücher noch weiter erforschen wird.

Die Lore der Bücher, die der Autor in diesem Roman einführt, fand ich recht enttäuschend, wenig beeindruckend und insgesamt etwas seltsam-verwirrend – ein bisschen zu unerklärlich. Mir kam die ganze Sache einfach wenig durchdacht vor und die Umsetzung erschien mir zögerlich.

In diesem Roman spielen Zeitreisen eine große Rolle. Diese werden eher als erzählerischer Kniff verwendet – die Zeitreisen werden zur Lösung jeder einzelnen Schwierigkeit, die den Protagonisten begegnet. Die Handlung bereicherten sie nur bedingt. Die Zeitreisen sind zwar klug und geschickt aufgebaut und einfallsreich in die Geschichte verwoben, aber man kommt nicht umhin das Konstrukthafte daran zu bemerken. Vor allem zum Ende hin hing der Spannungsbogen ganz schön durch: Da war keine Ungewissheit mehr und die Auflösung der Konflikte wurde vorhersehbar.


Mein Fazit

Die erste Tür, die ich mit dem Buch der tausend Türen öffnen würde, würde mich wahrscheinlich auch nach Italien führen (oder in eine fiktive Welt – ob das überhaupt geht?) – in dieser Sache bin ich der Protagonistin wohl sehr ähnlich. „Das Buch der tausend Türen“ ist ein Fantasy-Roman, der beim Blick durchs Schlüsselloch alles hat, was das Herz eines Fantasy-Fans höher schlagen lässt: magische Bücher, Zeitreisen, reizvolle Haupt- und Nebenfiguren, durchtriebene Antagonist*innen und einen spannenden Plot. Aber öffnet man diese Tür und lässt sie sperrangelweit stehen, merkt man, dass die Geschichte ein paar ausgefranste Ecken hat.


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