[Rezension] Ede und Unku

Ede und Unku – Grete Weiskopf/Alex Wedding

EdeundUnku_Cover

Verlag: Malik Verlag | Erschienen: 1931

Kurzbeschreibung
Ede, ein Berliner Arbeiterjunge, lernt auf dem Rummel Unku kennen, eine Sinteza. Ede freundet sich mit ihr an und gemeinsam versuchen sie zu verhindern, dass Edes Vater einen folgenschweren Fehler begeht. Denn Edes Vater verliert im Zuge der Rationalisierung (in den 1920er Jahren) seine Arbeit. Daraufhin wird er angeworben bei der AEG Turbine zu arbeiten. Doch das versucht Ede mit allen Mitteln zu verhindern, denn das würde seinen Vater zu einem Streikbrecher machen.


Meine Meinung
Anders als der Titel suggeriert, geht es in diesem Jugendroman gar nicht so sehr um die Freundschaft zwischen Ede und Unku, sondern es dreht sich alles um die Arbeitslosigkeit von Edes Vater und Edes verzweifelten Versuch, zu verhindern, dass der Vater zum Streikbrecher wird. Die Freundschaft, die sich zwischen Ede und Unku entwickelt und in die der Leser kleine Einblicke erhält, ist wunderbar. Sie helfen sich gegenseitig und sind füreinander da, wie es nur Kinder sein können. Dennoch, so abenteuerlustig wie der Klappentext behauptet, wird es leider gar nicht. Und Unku spielt auch nur eine untergeordnete Rolle.

Der Jugendroman zeichnet ein Bild vom schweren Stand der Arbeiter, vom Kommunismus, von Konflikten mit der Obrigkeit, von einem Berlin der bewegten 1920er Jahre. Der Roman ist sehr bunt und lebhaft; erzählt ein Stück Geschichte – und das merkt man nicht nur an den behandelten Themen, sondern auch an der Sprache: die Figuren singen den neusten Schlager vor (sie tratschen), finden alles knorke und drücken sich für unsere heutigen Verhältnisse nicht politisch korrekt aus. Aber das spiegelt nun mal eine andere/veraltete Lebenswirklichkeit wider und unterstreicht den historischen Charakter des Jugendromans.

Wie bereits erwähnt, kommt Unku nur eine Nebenrolle in der Geschichte zu. Sie tritt in der Geschichte nur ein paar Mal auf (ihre Auftritte kann man an einer Hand abzählen), dennoch merkt man, dass ihr und ihrer Familie eine besondere Rolle zukommt. Und um dies zu verstehen, muss man wissen, dass es Ede und Unku wirklich gab. Die beiden Kinder waren befreundet und lebten in der Nachbarschaft der Autorin, die den Roman unter Pseudonym veröffentlichte. Doch Erna Lauenburgers Leben (Unkus bürgerlicher Name) nahm ein ganz anderes, düsteres Ende als man vom Roman ausgehend vielleicht erwarten könnte. Erna/Unku, ihre Töchter und ihre Mutter wurden im KZ Auschwitz ermordet. Darauf verweist die Autorin im Zusatzkapitel, welches der Nachkriegsausgabe vorangestellt wurde (welche ich gelesen habe). Der Roman erschien zuerst im Jahr 1931 und fiel der Bücherverbrennung zum Opfer. Zu DDR-Zeiten wurde der Roman neu aufgelegt.

Trotz dieser düsteren und traurigen Hintergrundtatsachen ist die Geschichte der beiden Kinder genauso wie sie: vorlaut, trotzig, mutig und voller Leben. Auch wenn es nicht die Geschichte von Ede und Unku, sondern Edes Geschichte ist, ist der Roman dennoch absolut empfehlenswert. Ein Stück Geschichte eben.

Fun Facts: Das Buch wurde auch verfilmt. Und auch noch wissenswert: In Berlin gibt es den ‚Ede-und-Unku-Weg‘ und auch die Papierstraße, in der Unku mit ihrer Familie wohnte, gibt es noch! Ich hoffe, dass ich bei meinem nächsten Berlin-Besuch dort vorbeischauen kann. Außerdem gibt es noch das Buch „Ede und Unku – Die wahre Geschichte“ verfasst von Janko Lauenburger, einem Nachfahren von Erna Lauenburger. Er erzählt seine Geschichte und er schildert auch, wie er von Unkus (der Cousine seiner Großmutter) Schicksal erfahren hat. Ich habe es noch nicht gelesen; es steht aber dennoch auf meiner Leseliste.


Mein Fazit
Trotz der traurigen Realität, die sich hinter der Geschichte verbirgt, handelt es sich bei „Ede und Unku“ um eine sehr schöne Geschichte. Sie hat einen harten und ernsten politischen Kern: Sie führt einem eine Lebenswirklichkeit vor Augen, in der Arbeitslosigkeit, Streik, Kinderarbeit, Armut, Rassismus, Diskriminierung von Minderheiten sowie Not im Vordergrund stehen. Eine Lebenswelt, die uns auf den ersten Blick in unserer heutigen Gesellschaft fast gänzlich unbekannt erscheint. Dennoch, wenn wir die Hand aufs Herz legen, wissen wir, dass es diese Probleme heutzutage immer noch gibt. Und das bringt uns näher an Ede und Unku heran als wir vielleicht zunächst erwarten.

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