Titel: Kopfzecke
Autor: Iris Blauensteiner
Verlag: Verlag Kremayr & Scheriau
Seiten: 174
Erschienen: 2016
Kurzbeschreibung
Moni pflegt ihre demenzkranke Mutter. Während ihr eigenes Leben fast daran zerbricht, kämpft sie um die letzten Erinnerungen ihrer Mutter.
Meine Meinung
Es ist schwer eine Geschichte, die so einen starken privaten Charakterzug aufweist, zu rezensieren, geschweige denn zu bewerten.
Das Erste was mir beim Lesen aufgefallen ist, ist, dass man diese Aufzeichnungen nicht schnell lesen sollte. Während Moni die Zeit durch die Finger rinnt, muss sich der Leser genau diese Zeit nehmen. Ansonsten versteht man nicht richtig, verpasst die eigentliche Aussage hinter den Worten oder vielmehr hinter den wortgewaltigen Bildern. Denn die Autorin arbeitet bei der Erzählung sehr viel mit Metaphern, Vergleichen und sprachlichen Bildern. Das Bild der ‚Kopfzecke‘ ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Der Leser begibt sich auf eine Reise durch ein kompliziertes Emotions- und Sprachgeflecht. Es ist eine düstere Erzählung, die sehr stark von Vergänglichkeit geprägt ist.
Die Erzählweise ist sehr poetisch, theatralisch und von einer nicht näher definierbaren Dramaturgie geprägt. Ich finde, dass hier sehr stark die künstlerische Bildung der Autorin durchscheint. Vieles funktioniert in der Geschichte über Gefühle. Dabei hat dieser Roman nichts Kitschiges an sich. Ganz im Gegenteil, es handelt sich eher um eine tiefgründige Traurigkeit.
Die Erzählung ist in Kapitel aufgeteilt. Diese wiederum setzen sich aus Momentaufnahmen aus dem Pflege“alltag“ (kann die Pflege eines Angehörigen zu etwas ganz Alltäglichem werden?) und der Vergangenheit Monis und ihrer Mutter zusammen. Die Pflege ihrer Mutter fällt Moni zusehends schwerer, nicht nur physisch sondern auch psychisch. Die Autorin beschreibt wie sich die Krankheit der Mutter auf Monis Beruf, auf ihre sozialen Beziehungen und auf ihre finanzielle Situation auswirkt. Dem Leser eröffnet sich ein kompliziertes Mutter-Tochter-Beziehungsgeflecht über dem die Schatten und die Rätsel der Vergangenheit liegen, welche die Protagonistin zu vertreiben und zu lösen sucht.
Die Momentaufnahmen erscheinen unzusammenhängend; es sind Bruchstücke, die eine tiefgehende Aussichtslosigkeit und Auswegslosigkeit vermitteln. Sie bilden Lücken, die auf die Zerbrechlichkeit der beiden Figuren hinweisen und einem die eigene Endlichkeit vor Augen führen. Die Autorin berührt mit ihrem Roman eine der natürlichsten und stärksten Beziehungsgeflechte: die Eltern-Kind-Beziehung. Der Roman weckt in einem die Angst vor einem Leben ohne die eigene Mutter oder den eigenen Vater. Der Roman sorgt dafür, das sich in einem ein mulmiges Gefühl der Hilflosigkeit und Angst ausbreitet. ‚Kopzecke‘ hat mich zutiefst berührt.
Mein Fazit
‚Kopfzecke‘ ist ein sehr ernster und anspruchsvoller Roman, keine Lektüre für Zwischendurch. Der poetische Stil der Autorin hat mir persönlich nicht so gefallen, aber das mindert den Wert der Geschichte nicht. Demenz, oder das Leben ganz allgemein, ist ein ständiger Kampf zwischen Erinnerung und Vergessenheit. Dies hat die Autorin auf sehr eindrucksvolle Art und Weise dargestellt. Lesern mit einer poetischen Ader und dem Mut, sich mit einem so ernsten Thema auseinanderzusetzen, kann ich diesen Roman nur ans Herz legen.