[Rezension] Let’s talk about love

Let’s talk about love – Claire Kann

Das Buch ist umgebend von schwarz-grau-weiß-lilafarbenen Konfetti. Auf dem Cover ist eine junge Schwarze Frau in einer tanzenden bewegung mit einem glücklichen Gesichtsausdruck zu sehen

Verlag: Macmillan | Seiten: 288
Erscheinungsjahr: 2018

Kurzbeschreibung

Der Sommer lag Alice zu Füßen, doch das Leben brachte sie zum Stolpern: Als Alice ihrer Partnerin Margot gesteht, dass sie asexuell ist, beendet Margot die Beziehung. Auch ihre Familie sitzt ihr unangenehm im Nacken. Kurzerhand zieht Alice zu ihren besten Freund*innen aus Kindheitstagen und versucht den Verantwortungen des Erwachsen-Seins aus dem Weg zu gehen. Auch Gedanken ans Dating hat sie vorerst an den Nagel gehangen. Doch dann lernt sie Takumi kennen und ihre Vorsätze geraten ins Wanken.


Meine Meinung

Dieser Young Adult-Roman war wie eine warme, freundschaftliche und wohltuende Umarmung. Ich habe mich zwischen den Seiten so wohl gefühlt, vor allem weil ich mich endlich mal verstanden und gesehen gefühlt habe.

Schon das erste Kapitel hat richtig gesessen: Margot, Alices Partnerin, macht mit ihr Schluss, weil Alice asexuell ist oder um es mit Margots sehr verletzenden Worten zu sagen: „I can’t be with someone who doesn’t desire me. You could never love me as much as I would love you. You understand that, don’t you?” (S. 5).

Nach diesem ersten Horror-Kapitel hatten die Protagonistin und ich also direkt schon mal etwas gemeinsam. Sowieso war mir Alice schon von der ersten Seite an sympathisch. Sie ist offen, quirlig und hat einen unglaublichen Appetit: nicht nur auf (ungesundes) Essen, sondern auch aufs Leben. Auf die Konflikte in ihrem Leben ist sie allerdings eher weniger erpicht. Sie muss nicht nur mit den Folgen des Beziehungsendes klarkommen, sondern auch bei der Auseinandersetzung mit ihrer nervenden und übergriffigen Familie die Ruhe bewahren. Und nicht nur das: Die Beziehung zu ihren besten Freund*innen steht vor einer Zerreißprobe. Aber das reicht ja noch lange nicht: Innerlich steht Alice im Konflikt mit sich selbst und ihrer Sexualität. Kurzum: In Alices Leben lauert sehr viel Konfliktpotenzial, das die Autorin auch ausreizt.

Der Roman thematisiert auch Sexismus, Rassismus und die ständigen Mikroaggressionen, denen Alice ausgesetzt ist. In diesem Zusammenhang kommt Alice auch auf das problematische Verhalten von Teilen der queeren Community zu sprechen, die Personen wie sie (Schwarz, asexuell und biromantisch) häufig ausschließen. Auch hier häufen sich die (intersektionalen) Konflikte. Alice tat mir zwischendrin schon wirklich leid, denn wenn schon scheiße, dann scheiße mit Schwung.

Im Mittelpunkt des Romans steht natürlich Alices Asexualität und die Frage, wie sich eine romantische Beziehung zwischen einer asexuellen und allosexuellen Person gestalten kann. Der Roman fordert den Leser*die Leserin heraus, das eigene Verständnis von Liebe, Sex, Leidenschaft und Verlangen sowie deren Verflechtungen untereinander zu überdenken. Denn natürlich ist die Beziehung zwischen Margot und Alice nicht wegen ihrer Asexualität in die Brüche gegangen, sondern aufgrund von Kommunikations- und Kompatibilitätsproblemen (beiderseits). Vor allem Margots eingeschränkte Sicht auf Intimität, Sex und Liebe und ihre mangelnde Bereitschaft sich damit auseinanderzusetzen, waren Faktoren, die zur Trennung entscheidend beigetragen haben.

Über Asexualität wird im Roman ohne komplizierte Fachworte gesprochen – nah am Menschen. Ich fand auch gut, dass die Definition von Asexualität ein wenig über den bloßen Anziehungsaspekt hinaus erweitert wird und auch miteinbezogen wird, ob man gerne Sex hat oder aktiv danach strebt.

Takumi ist Alices Schwarm. Er ist ihr neuer Kollege in der Bibliothek, in der sie als Teilzeitkraft arbeitet. Er bringt ihr eigenes Verständnis von Anziehung und Verlangen gehörig durcheinander. Die Interaktionen der beiden waren auch einfach nur zuckersüß, zum Dahinschmelzen – wenn auch nicht immer ganz konfliktfrei. Den Trope „Friends-to-Lovers“ setzt die Autorin hier wirklich gekonnt um.

Den Trope der „Found Family“ findet man in Alices beste Freund*innen aus Kindheitstagen wieder: Feenie und Ryan. Die beiden sind ein Paar und schon verlobt, weshalb sich Alice in ihrer Gegenwart manchmal wie das dritte Rad am Wagen fühlt. Ich hätte mir gewünscht, dass die beiden Figuren noch ein bisschen mehr Tiefe und ein paar mehr Seitenauftritte bekommen hätten. Auch dass man Moschoula nur halbherzig kennenlernt, fand ich sehr schade.

Die Erzählung legt den Fokus auf Alices Erleben, Denken und Fühlen. Manchmal war man näher an ihr dran, mal war der Abstand etwas größer. Beim Pacing war gelegentlich ein Ungleichgewicht zu spüren. Obwohl zwischen den Kapiteln oder Absätzen nur wenig Zeit vergeht, häufen sich die Ereignisse. Und so erhält man als Leser*in nur eine Art Nacherzählung von den vergangenen Ereignissen, was ehrlicherweise etwas oberflächlich wirkte.

Bis zu einem gewissen Grad war der Ausgang der Handlung vorhersehbar (es ist nun mal ein Liebesroman). Was die Geschichte besonders macht, ist der Weg zum entscheidenden Moment zwischen Takumi und Alice. Auf dem Weg dahin ist mein Herz immer mal wieder dahingeschmolzen und ich bin nur so durch die Seiten geflogen. Mir hat auch sehr gut gefallen, dass die Erwartungen, die man an eine romantische Beziehung hat, hinterfragt und heruntergeschraubt werden. Die Beziehung zwischen den beiden wird nicht verklärt. Die Autorin verdeutlicht, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt, eine gesunde Beziehung zu führen.

Während mich das Ende durchaus überzeugt hat, war der Epilog stimmungsmäßig leider ein bisschen tonlos und es werden mehr Fragen gestellt als beantwortet. Ich hätte wirklich mehr von der Beziehung der beiden an sich erfahren. Aber wer weiß, vielleicht gibt es irgendwann einmal eine Fortsetzung?


Mein Fazit

Zwischen den Seiten habe ich mich gesehen, gehört und verstanden gefühlt. Die Ace-Representation macht hier wirklich einen Unterschied. Ich möchte diesen Roman vor allem Personen empfehlen, denen es schwer fällt, ein Verständnis von Asexualität zu entwickeln; Personen, die Sex mit Liebe, Lieben und Geliebt-Werden gleichsetzen. Und ich empfehle ihnen all denjenigen (asexuellen oder auch allosexuellen) Personen, die die Hoffnung auf Liebe, ob romantisch, freundschaftlich oder familiär noch nicht aufgegeben haben.


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