[Rezension] Periode ist politisch

Periode ist politisch – Franka Frei

Periodeistpolitisch

Verlag: Heyne Hardcore | Seiten: 256
Erschienen: 2020

Kurzbeschreibung
Die Menstruation – kennt doch jede:r, oder etwa nicht? Schön wär’s wenn! Über diese natürliche Körperfunktion oder auch dieses gesellschaftliche Tabuthema (je nach Blickwinkel) schreibt Franka Frei in ihrem Manifest „Periode ist politisch“: ein Aufklärungsbuch. Sie erzählt von ihrem Menstruationsaktivismus weltweit, von Periodenarmut, von historisch fest verankerten gesellschaftlichen Stigmata. Sie behandelt wirtschaftliche, kulturelle und umweltbezogene Aspekte der Menstruation; spricht über nachhaltiges Bluten, über Ekel- und Schamgefühle. Sie bringt all das zur Sprache, worüber sich unsere Gesellschaft ausschweigt – zum Nachteil von Frauen, oder besser: von menstruierenden Menschen.


Meine Meinung
Ich habe erst relativ spät angefangen, mich mit meiner Periode auseinanderzusetzen. Als ich 26 Jahre alt war, nahm ich schon seit ungefähr 8/9 Jahren die Pille. Da musste ich mir keine Gedanken machen, denn die hat alles ganz bequem (weg)geregelt; zumal man mit der Pille auch gar keinen richtigen Zyklus hat. So why bother? Denn dass hinter der Menstruation mehr steckt als nur ein bisschen Blut (und in meinem Fall viele und starke Schmerzen), war mir egal – eine sehr bequeme und kurzsichtige Perspektive, das weiß ich jetzt auch. Erst mit dem Wechsel auf die Kupferkette vor nun zwei Jahren und meinem gesteigerten Interesse an feministischen Themen habe ich die Menstruation bewusst zum Thema gemacht. Ich wollte wissen, was es tatsächlich bedeutet zu menstruieren und zwar über die mir bereits bekannten körperlichen und gesundheitlichen Implikationen hinaus. Dieses Buch hat meinen kritischen Blick geschärft.

Die erste wichtige Tatsache, die ich aus der Lektüre mitgenommen habe, ist, dass das Menstruationstabu allgegenwärtig ist. Das ist paradox, denn wie kann die Menstruation allgegenwärtig sein, wenn sie doch totgeschwiegen oder im besten Fall beschönigt wird? Überraschung: Ein Problem (die Menstruation ist kein Problem, die patriarchale Gesellschaft hat sie nur zu einem gemacht) verschwindet nicht, nur weil man nicht darüber redet (so verhält es sich bspw. auch mit Rassismus und anderen Ismen). Um erste Spuren dieses Tabus zu entdecken, muss man gar nicht lange suchen: Stichwort Fernsehwerbung für Periodenprodukte. Blaue Flüssigkeit, alles muss blumig duften und lächelnd-unbeschwerte Frauen, die Seilhüpfen, um den Tampon besser einführen zu können, sind die Norm. Aber wer hätte es gedacht: Das ist nicht die Wirklichkeit.

Im Vordergrund von Franka Freis Manifest steht die Auseinandersetzung mit den Gefühlen Scham und Ekel. Fragen wie „Sieht man da was?“ oder „Hört man, dass ich gerade meine Binde wechsle?“ oder „Kann ich heute bei meinem Partner übernachten? Was passiert, wenn ich auslaufe oder sonst was? Er muss mich doch total ekelhaft finden“ sind noch harmlose Ausprägungen dieses machtvollen Mechanismus. Die Fragen erscheinen harmlos, ja, können aber schwerwiegende Folgen haben. Auch für mich sind/waren diese Fragen normal. Jetzt machen sie mich unglaublich wütend.

Ein weiterer Punkt, der mir gar nicht so richtig bewusst war, handelt von der Periodenarmut. Ich kann mir jeden Monat aufs Neue aussuchen, auf welche Produkte ich während meiner Periode zurückgreifen möchte: Binden, Tampons, Menstruationstasse, Menstruationsunterwäsche usw. usf. Aber das ist nicht überall so, auch in Europa nicht. Nicht jede:r kann sich diese  Luxusartikel leisten. In Deutschland wurden Periodenprodukte bis vor Kurzem noch mit 19% besteuert; nicht mal Lachskaviar oder Schnittblumen werden so hoch besteuert. Vor allem diese Kapitel zur Periodenarmut haben mir gezeigt, wie privilegiert ich eigentlich bin. Weil ich ausreichend Geld für Periodenprodukte zur Verfügung habe und ich auch die Möglichkeit habe, diese in der Schule/in der Universität/im Büro zu wechseln und zu entsorgen (!), muss ich mir keine Sorgen wegen periodenbedingten Abwesenheitszeiten in der Schule oder im Beruf machen. Auch, dass viele Mädchen und Frauen in anderen Teilen der Welt mit dem Einsetzen ihrer Periode aus der Schule genommen und verheiratet werden, war ein Umstand, der mir nicht wirklich bewusst war.

Apropos Privilegien: Auch meine zuvor geäußerte „Sorge“, mein Partner könnte sich vor mir und meiner Periode ekeln, ist eine äußerst privilegierte Sorge, wenngleich sie nicht ganz unbegründet ist. Das habe ich dank Franka Frei nun auch gelernt. Denn viele Frauen weltweit dürfen sich während der Periode nicht mal in ihren eigenen vier Wänden aufhalten oder (Körper)Kontakt zu ihrer Familie pflegen. Sie werden isoliert: auf dem Balkon, der Terrasse oder sonst wo und sind dort ungeschützt.

Und noch was: die Müllwirtschaft. Binden, Tampons usw. bestehen hauptsächlich aus Kunststoff bzw. Plastik. Dass unsere Erde ein Plastikproblem hat, ist inzwischen hoffentlich bekannt: „In westlichen Ländern wird davon ausgegangen, dass pro Menstruierende auf ein Leben hochgerechnet rund 12.000 Monatsartikel im Müll landen“ (S. 149). Unsere Meere freuen sich. Diese periodenbedingte Umweltverschmutzung ist einer der Gründe, weshalb nachhaltige Alternativen und die Aufklärung über diese alternativen Produkte so unerlässlich ist. Eng damit verknüpft ist auch die Frage nach der Gesundheitsschädlichkeit von Periodenprodukten. Denn diese enthalten Schadstoffe, Chemikalien und Duftstoffe (habt ihr mal an einer unbenutzten Binde gerochen? Die sind parfümierter als ein ganzer Douglas-Store.). Dies ist allerdings kaum bekannt, weil es keine Kennzeichnungspflicht für die Produkten gibt – darauf habe ich bisher nie geachtet. Diese Schadstoffe kommen jahrelang in Berührung mit den empfindlichen Schleimhäuten und können u.a. Allergien und Hautreizungen hervorrufen. Welch ein Spaß!

Diese und viele weitere Punkte haben mir gezeigt, dass da noch sehr viel Arbeit auf mich und auf die Gesellschaft zukommen wird. Denn nur mit der Lektüre dieses Buches ist es bei weitem nicht getan. Das Buch zu lesen, kann nicht mal als erster Schritt in die richtige Richtung bezeichnet werden. Der erste Schritt besteht in der Einsicht und Anerkennung, dass es das Menstruationstabu gibt und dass es als ein Instrument zur Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen/menstruierenden Personen genutzt wird. Daher pflege ich in meinem Umfeld einen sehr offenen Umgang mit dem Thema. Ich habe kein Problem damit, darüber zu sprechen oder auch mal ein Treffen mit der Begründung abzusagen, dass ich meine Tage/Periode habe. Dem Thema ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, schadet nicht. Die Menstruation geht alle etwas an; auch Männer und Jungs/nicht-menstruierende Personen. Und es ist an der Zeit, dass dies anerkannt wird. Die Periode ist nicht nur politisch; sie ist natürlich, alltäglich, nicht ekelhaft und vor allem sollte man sich nicht dafür schämen, dass man menstruiert.

Franka Frei verarbeitet in ihrem Sachbuch sehr viele Informationen, sie zählt Fakten auf und stellt viele Behauptungen auf. Dafür ist das Quellenverzeichnis für meinen Geschmack sehr mager ausgefallen. Schade! Das Manifest sollte mMn daher eher als Ausgangspunkt, als Zusammenfassung der gängigen Diskurse zum Thema Menstruationstabu angesehen werden. Je nachdem für welchen Teildiskurs man sich interessiert, kann man das jeweilige Kapitel und die dazugehörigen Quellenangaben als Orientierungspunkt nutzen.

Anhand der Art und Weise, wie sie die Inhalte aufbereitet, merkt man, dass sie sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat, aber auch, dass sie nicht auf allen Teilgebieten als Expertin anzusehen ist. Das ist mir vor allem im Zusammenhang mit sprachlichen Fragen aufgefallen: An ein oder zwei Stellen führt sie an, dass das Wort „herrlich“ all das bezeichne, was mit Männern zu tun habe. Und dass das Äquivalent „dämlich“, sich auf alles beziehe, was mit Frauen zu tun habe (S. 75, 175). Dass sie dieses gängige, sexistische, aber falsche Argument aufführt und nicht richtig stellt, hat mich sehr verärgert (Externe Links: Etymologie „herrlich“; Etymologie „dämlich“; „Herrliche Etymologie, dämliche Aufgabe“; „Sexismusverdacht“).

Was Franka Frei allerdings weiß, ist, wie sie dieses Thema an den Mann oder an die Frau zu bringen hat. Sie weiß, wie man sich Gehör verschafft. Sie ist frech, laut und rebellisch, weiß mitreißend zu argumentieren, ist direkt und nimmt kein Blatt vor den Mund. Generell ist an diesem herausforderndem Ton nichts auszusetzen, dennoch fand ich ihre bissige und besserwisserische Art, ihren teilweise sehr erhobenen Zeigefinger als anstrengend und störend. Gelegentlich hatte ich nämlich das Gefühl, dass sie versuchte dem/der Leser:in ihren Standpunkt aufzuzwingen. Das empfand ich als sehr unangenehm, denn durch Zwang erreicht man bei diesen Debatten nichts und niemanden.


Mein Fazit
Mit Witz und Biss schreibt Franka Frei in ihrem Manifest über die Menstruation und prangert die Missstände und Schieflagen in unserer patriarchalen Gesellschaft ungeniert an. Ich habe viel gelernt, viel gestaunt, gelacht und den Kopf geschüttelt; über mich selbst, meine Unwissenheit und über die frauenverachtenden Ansichten und Aussagen, die über Jahrhunderte in unserer Gesellschaft propagiert und tradiert wurden und noch heute in abgewandelter, aber immer noch machtvoller und allgegenwärtiger Form Bestand haben. Eine Pflichtlektüre für alle Menschen – egal, ob sie menstruieren oder nicht.


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