[Rezension] Queenie

Queenie – Candice Carty-Williams

Das mittig im Bild gelegene Buch (pinkes Cover mit einem stilisiertem Frauenkopf mit Braids, Ohrringen. Titel

Verlag: Orion Books | Seiten: 392
Erschienen: 2019

Kurzbeschreibung: Drama, Baby, Drama!

Beziehungspause. Wie eine dunkle Wolke schwebt dieses Wort über und in Queenies Kopf herum als die Gynäkologin bei ihr eine Fehlgeburt feststellt – trotz Verhütung. Langsam aber sicher geht Queenies Leben in die Brüche. Ein wildes Auf und Ab beginnt, ein unheilvoller Strudel, der sie immer tiefer zieht, weg von ihrer Arbeit, ihren Freundinnen, ihrer Familie, und hinein in die Arme von falschen Männern.


Meine Meinung: Uff!

„Queenie“ war unsere Buchclub-Lektüre für den Monat Januar. Aus eigenem Antrieb hätte ich dieses Buch nicht gelesen, weil ich schon mit der Grundthematik (Beziehungsaus, Selbstfindungsphase etc.) nicht viel bis gar nichts anfangen kann. Mich unterhalten solchen Geschichten nicht; ich finde sie höchstens anstrengend und sie regen mich auf. Aber ich dachte mir bzw. hoffte ich, dass es hier um mehr gehen würde als nur Herzschmerz und Sex mit den falschen Männern (nicht nur sehr expliziten, sondern auch gewalttätigen Sex). Stichwort Rassismuskritik. Denn so wird es in den Blurbs beworben. Außerdem, ist ein Buchclub nicht auch dazu da, über den eigenen literarischen Tellerrand zu lesen? Hätte ich mal lieber auf mein Bauchgefühl gehört.

Dieser Roman hatte für mich leider keinen Mehrwert, weder unterhaltungs- noch bildungstechnisch. Das einzige, was dieser Roman fast geschafft hätte, war, dass mir die Augen vor lauter genervtem Verdrehen beinahe herausgefallen wären. Ich weiß nicht wie häufig ich das Buch entnervt zur Seite gelegt und überlegt habe, es abzubrechen. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen.

Über ungefähr 2/3 des Buches hinweg erlebt man als Leser*in wie Queenie ihr Leben langsam aber sicher vor die Wand fährt: Liebesleben, Sexleben, Job, Freundschaften, Gesundheit. Diese 2/3 sind absolut langweilig, weil sie unglaublich repetitiv sind. Queenie offenbart sich hier als absolute Drama Queen (also da passt der Name wie die Faust aufs Auge). Insgesamt empfand ich sie auch einfach als richtig anstrengend und unsympathisch. Freundinnen würden wir nicht werden. Ich bin kein empathieloser Mensch, das nicht, ein bisschen Mitleid und Verständnis konnte ich schon für sie aufbringen, aber das hielt sich definitiv in Grenzen.

Mir ist bewusst, dass Queenies psychische Gesundheit eine große Rolle spielt und es ihr destruktives Verhalten beeinflusst und begründet. Wenn die Autorin das Ganze erzählerisch anders aufgebaut hätte, also über das gesamte Buch hinweg Hinweise auf den Grund für ihr Verhalten eingestreut hätte (Rückblenden verwendet sie ja sowieso schon), anstatt die Bombe erst auf den letzten 100 Seiten platzen zu lassen, dann wäre es lesbarer und nachvollziehbarer gewesen. Auf diese Weise hätte die Autorin den/die Leser*in darauf vorbereiten können und den Weg für das Verständnis ebnen können. Aber so fühlt es sich aufgezwungen und effekthaschend an. Die Enthüllung ist so krass, dass man am Ende quasi gezwungen wird, ihr Verhalten damit zu entschuldigen. Denn was wäre man ansonsten für ein Mensch? Die späte Vorschlaghammer-Enthüllung konnte die Qual der vorhergehenden 300 Seiten nicht wieder gutmachen.

Ich habe zuhauf gelesen, dass der Roman eine Art Sogwirkung entwickelt, wie bei einer Daily Soap. Und ja, obwohl ich oft darüber nachgedacht habe, den Roman abzubrechen, habe ich es nicht getan, sondern habe tapfer weitergelesen.  Auch ich habe diese Sogwirkung gespürt, aber das lässt sich in meinen Augen nicht mit einem positiven Leseerlebnis gleichsetzen. Ich habe früher auch Daily Soaps wie „Berlin Tag & Nacht“ uä geschaut, aber nicht weil ich das Drehbuch gut geschrieben oder die schauspielerische Leistung als überragend empfand. Sondern eher aus Langeweile. Außerdem breche ich aus Prinzip keine Bücher ab (ich gebe jedem Buch bis zum Schluss, die Möglichkeit, ein Highlight zu werden). Hier kommt noch hinzu, dass ich mich wegen des Buchclubs verpflichtet fühlte, das Buch zu beenden. So war es wenigstens schnell vorbei.

Gut fand ich, dass die Geschichte einen Augenmerk auf die Wichtigkeit der sexuellen Gesundheit gelegt hat. Das wird meiner Meinung nach viel zu häufig und allzu sträflich vernachlässigt. Es ist wichtig, den Umgang mit sexuell übertragbaren Krankheiten zu normalisieren, vorzusorgen und nicht wie Queenie im Roman, erst nachzusorgen. Man hat nur eine Gesundheit. Also, Daumen hoch dafür.

Hin und hergerissen war ich hinsichtlich der Wahl von Queenies Verhütungsmittel. Denn sie verwendet ein Verhütungsmittel, das viel mehr Aufmerksamkeit verdient (ich spreche hier als überzeugte Kupferketten-Trägerin, seit 3 Jahren – still going strong!): Kupfer. Nur leider stellt die Autorin das Verhütungsmittel in einem nicht sehr schmeichelhaften Licht dar (Queenie erleidet, trotz Kupfer, eine Fehlgeburt – ist ein Risiko, das weiß ich). Das fand ich sehr schade. An dieser Stelle konnte ich bis zum Ende nicht nachvollziehen, weshalb die Fehlgeburt sie überhaupt so sehr mitgenommen hat wie es im Roman dargestellt wird.

Die Figuren rotieren alle um Queenie herum und waren mir nicht eigenständig genug. Ich konnte ihnen, vor allem Queenies Freundinnen, nichts abgewinnen. Die einzige Figur, die Queenie an Dummheit noch überbieten konnte, war Cassandra. Also, nein, also wirklich. Darcy war mir auch super unsympathisch. Darcy: Little Miss Perfect und Everybody’s Darling. Argh. Queenies Familie, allen voran ihre Großmutter und ihr Großvater waren die einzigen, die ich halbwegs sympathisch fand und über die ich gerne mehr erfahren hätte.

Wie ich anfangs erwähnt habe, dachte ich, dass es in diesem Roman um mehr gehen würde als nur um Herzschmerz und Sex. Und ja, dem ist auch so. Queenie ist eine junge Schwarze Frau, die versucht in einer rassistischen und diskriminierenden Gesellschaft ihren Platz zu finden. Dass man es als Frau in unserer Gesellschaft schwer hat, weiß ich. Wenn dann neben Sexismus auch noch Rassismus und Diskriminierung die Bühne betreten, kann ich nur noch ansatzweise nachvollziehen wie schwer es sein muss, sich selbst zu finden, vor allem in (persönlichen und gesellschaftlichen) Krisenzeiten.

Leider fand ich die Rassismuskritik erzählerisch nicht sonderlich gut umgesetzt. Meist kam sie mir nicht wie ein organischer Bestandteil der Geschichte vor, sondern als erzählerisches Mittel, um von dem Liebes-/Lebensdrama abzulenken. (Nachträgliche Ergänzung: Es kann gut sein, dass diese Empfindung mit der sog Empathy Gap zusammenhängt, da ich als weiße Person noch nie von Rassismus betroffen war, es deshalb nicht nachempfinden und somit auch nicht bewerten kann. Daher werde ich an dieser Stelle nicht mehr dazu sagen.)

Wenn man etwas über Rassismuskritik lernen möchte, dann ist man mit anderen Büchern besser bedient, wie z. B. „Exit Racism“ von Tupoka Ogette, „White Fragility“ von Robin DiAngelo oder „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“ von Alice Hasters. Das Buch von Alice Hasters enthält bspw. einen fiktiven Brief, den die Autorin an ihren Beziehungspartner schreibt und in dem es um die Probleme geht, die Rassismus und Diskriminierung in einer Beziehung hervorrufen (können). Queenies Beziehung hat mich eins zu eins an diesen Brief erinnert. Aus diesem Brief habe ich aber so viel mehr mitgenommen als aus diesem Drama-Soap-Roman.


Mein Fazit: Hätte ich mir sparen können (Geld, Nerven und Zeit)

Entweder man hasst es oder man liebt es. Zugegeben, es war nicht alles schlecht. Aber ich hatte das Gefühl, dass die Autorin mit ihrem Buch zu viel wollte: Mental Health, Rassismuskritik, sexuelle Aufklärung, Familien- und Beziehungsprobleme, Selbstfindung. Das alles wird auf 400 Seiten gequetscht. Queenies Geschichte ist realistisch, toxisch, aber sie ist auch leider sehr anstrengend und ist keine erzählerische Glanzleistung. Ich hätte nichts verpasst, wenn ich den Roman nicht gelesen hätte. Für meinen Geschmack war „Queenie“ von Candice Carty-Williams leider ein Flop.


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