Titel: The Earth is Singing | Autorin: Vanessa Curtis Verlag: Usborne Publishing | Seiten: 336 Erschienen: 2015 |
Kurzbeschreibung
Als 1941 die Nationalsozialisten in Riga, Lettland einfallen, ahnt niemand welch verheerende Folgen dieses Ereignis haben wird. Auch Hanna Michaelson ahnt nichts, sondern ist vollkommen eingenommen von ihrem Freund, Uldis, und von ihrem Traum Balletttänzerin zu werden. Doch als sich ihre Freundinnen von ihr abwenden, weil Hanna Jüdin ist, und Uldis der Polizei beitritt, erkennt sie, dass nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. Das Schicksal nimmt unausweichlich seinen Lauf.
Meine Meinung
Ich habe diese Geschichte und ihre Wirkung auf mich anfänglich total unterschätzt. Ich hatte zunächst das Gefühl, dass die Handlung und die Figuren etwas zu oberflächlich und nüchtern gehalten waren. Erst gegen Ende wurde mir einiges klar, das Wieso, Weshalb, Warum, aber dann war es auch schon zu spät: Ich wurde überrollt, durchgerüttelt und aufgewühlt. Ich hatte lange kein Buch mehr in den Händen, dass mich so stark beeindruckt und emotional aufgewühlt hat. Also dafür, dass ich eigentlich nicht viel von YA halte und jedem Buch aus diesem Genre mit einer gewissen Skepsis begegne (vor allem aus dem Bereich Fantasy, weil es doch immer irgendwie das Gleiche ist bzgl. der Figurenkonstellation, der Handlung usw.), hat mich dieser Roman eines Besseren belehrt. Hört sich blöd an, aber dieser Roman ist YA mit Tiefgang.
Die Art und Weise, wie die Autorin das Schicksal von Hanna Michaelson, ihrer Mutter und Großmutter schildert, hat mich zutiefst beeindruckt und nachdenklich gestimmt. Diese drei unglaublich starken Frauen geben und opfern so viel und es wird ihnen noch mehr genommen. Als Leser kommt man gar nicht umhin, mit den Figuren zu bangen und mitzufühlen. Man erlebt wie Hanna vom sorglosen, jungen Mädchen zur starken und widerstandsfähigen, jungen Frau wird. Und das in einer sehr kurzen Zeitspanne. Man liest, wie sie alles verliert, was ihr lieb und teuer ist. Geschildert wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive: Hanna ist anfangs geblendet, jung und naiv (was sich extrem in der Erzählweise niederschlägt und weshalb ich dann so unvorbereitet und vom überrascht wurde). Sie reift nach und nach, denn schließlich bleibt ihr nichts anderes übrig (mit ihr reift auch die Erzählweise). Ihr wird bewusst, was um sie herum passiert und gleichzeitig steigert sich auch die Intensität der Handlung. Die Ereignisse überschlagen sich und werden immer schlimmer, erdrückender und belastender. Hannas Geschichte hat mir das Herz gebrochen.
Die Sprache ist einfach, überzeugt aber gerade deswegen. Mit einfachen Worten schafft es die Autorin realitätsnah von Hannas Schicksal zu erzählen. Sie beschönigt nicht. Mit wenigen Mitteln, die die zunehmende Mittellosigkeit der Figuren widerspiegelt, schreibt die Autorin von der Unausweichlichtkeit, von Verlust, Verrat, Hunger, Armut, Gewalt, Tod, Hoffnung, Angst. Starke Worte und Gefühle, die nicht viel Schnickschnack bedürfen, um verstanden zu werden.
‚Negativ‘ aufgefallen, ist mir lediglich die Beziehung zwischen Uldis und Hanna. Nicht, weil sie unglaubwürdig wäre, sondern weil ihre Entwicklung und vor allem Uldis Rolle im Verlauf der Geschichte etwas zu vorhersehbar war. Das wäre dann aber auch schon mein einziger Kritikpunkt.
Alle Ereignisse ab Kapitel 19 haben mich umgehauen und sprachlos gemacht. Vorher war ich schon entsetzt, aber ab diesem Zeitpunkt war ich außer mir. Ich hatte durchgehend Gänsehaut. Und auch jetzt, wo ich darüber berichte, habe ich wieder Gänsehaut. Und wenn man dann den Titel endlich versteht und einordnen kann… puh! Der Moment hat mich absolut geschockt. Mir ist das alles sehr unter die Haut gegangen.
Und warum zum Kuckkuck wurde dieser Roman noch nicht ins Deutsche übersetzt?! Kann mir das mal jemand erklären? Das kann ich absolut nicht verstehen und ich hoffe, dass sich das schleunigst ändert! Ganz wichtig auch bei der Lektüre zu beachten, sind das Vorwort der Autorin und die Widmung. Da läuft es einem eiskalt den Rücken herunter. Und auch das Online-Angebot des Verlags zu dem Roman sollte man sich auf jeden Fall anschauen.
Mein Fazit
The Earth is Singing ist ein vielschichtiger und aufwühlender YA-Roman, der extrem gut geschrieben ist und mich auf ganzer Linie überzeugen konnte. Handlung, Erzählweise, Setting, Figuren und Figurenwandlung greifen perfekt ineinander und halten einen in der Geschichte gefangen. Man spürt seine Nachwirkungen im Kopf und im Herzen. Die Lektüre dieses Buches ist so wichtig, weshalb ich sie euch unbedingt ans Herz legen möchte. Absolut lesenswert!