[Rezension] The Weaver and the Witch Queen

The Weaver and the Witch Queen – Genevieve Gornichec

Aus der Vogelperspektive fotografiert: Der Roman liegt auf Decken und Kissen

Verlag: Penguin | Seiten: 432
Erscheinungsjahr: 2023

Kurzbeschreibung

Nicht nur das Band der Freundschaft verbindet die Zwillingsschwestern Oddny und Signy mit Gunnhild, sondern auch ein Blutschwur, den die drei Mädchen als Kinder geleitste haben. Und es ist gerade dieser Blutschwur, der sich schicksalhaft auf ihr Leben auswirkt. Als Jugendliche flieht Gunnhild vor einer Ehe, die sie nicht eingehen möchte. Schutz findet sie in der Magie, weshalb sie sich zur Seherin ausbilden lässt. Jahre später wird der Hof von Oddnys und Signys Familie überfallen. Oddny muss mitansehen, wie ihre Schwester entführt wird und wie ihr beschauliches Leben in Flammen aufgeht. Doch Oddy ist fest entschlossen, ihre Schwester ausfindig zu machen. Bei diesem Versuch kreuzen sich die Wege von Oddny und der als verschollen geltenden Gunnhild aufs Neue. Doch Gunnhilds Schicksal ist nicht nur mit dem der Zwillinge gebunden, sondern scheinbar auch mit dem von Eirik, König von Norwegen.


Meine Meinung

Von diesem Roman habe ich mir sehr viel versprochen: nämlich eine Mischung aus „Vikings“ und „The Last Kingdom“-Vibes nur mit feministischen Elementen: mutige, standhafte, weiblichen Protagonistinnen und düster-schicksalhafte Atmosphäre. Nach der Lektüre muss ich wohl oder übel zugeben, dass meine Erwartungen etwas zu hoch waren. Der Roman kommt zwar nah an meine Vorstellungen heran, trifft sie aber nicht an allen Ecken und Enden. Während ich die Idee des historisch-fiktiven Settings eines Norwegens des 10. Jahrhunderts und die historisch-inspirierten Figuren sehr einnehmend fand, hat mich die Umsetzung nicht so ganz überzeugen können.

Was mir während der Lektüre durchgehend ein Dorn im Auge war, war der Schreibstil der Autorin. Der sprachliche Ausdruck der Figuren und allgemein der erzählerische Stil waren sehr anachronistisch: Da wären zB „She hmphed“ (S. 15) oder „They cringed“ (S. 111) als Beispiele heranzuziehen. Das klingt mir eher nach der Ausdrucksweise einer Jugendlichen in einem gegenwartszeitlichen Young Adult-Roman. In einem ähnlichen Stil sind auch die Dialoge gehalten: Es ist ein ständiges, teilweise kindisches Für und Wieder, das einen eher in eine Romcom versetzt, aber nicht nach Norwegen des 10. Jahrhunderts. Man kann sich zwar daran gewöhnen, aber man wird leider trotzdem immer wieder aus der Lektüre herausgerissen.

Auch das World Building war eher mittelmäßig. Die Landschafts- und Alltagsbeschreibungen fallen etwas zu gewöhnlich und banal aus. Mir fehlte Lebendigkeit, mehr Form und Kontur und allgemein erfährt man sehr wenig von der Welt, in der sich die Geschichte abspielt. Ja, okay, es spielt im norwegischen Mittelalter, aber was genau bedeutet das für diese Geschichte? Vor allem: Die Figuren segeln sehr viel in der Weltgeschichte umher. Warum enthält das Buch keine Landkarte, auf der man ihre Bewegungen hätte nachvollziehen können? Klar, hätte ich die Orte und Bewegungen auf Google Maps nachvollziehen können, aber das ist ja nicht Sinn und Zweck eines Fantasy-Romans oder von historischer Fiktion. Ich werde bei häufigen Ortswechseln in Romanen sehr schnell orientierungslos und wenn ich die Bewegungen dann nicht nachvollziehen kann, bleibe ich total verwirrt auf der Strecke zurück. Daurch verliert die Geschichte einfach an Form und es erschwert das Eintauchen in die Geschichte.

Diese Schwachpunkte konnte der Plot wenigstens ein bisschen auffangen. Die Handlung war wirklich spannend und mitreißend. Am meisten angesprochen fühlte ich mich von Oddyns Handlungsstrang – ich fand sie hatte einfach einen abwechslunsgreicheren und bemerkenswerteren Plot. Insgesamt bauten die einzelnen Plotpunkte flüssig aufeinander auf. Ich muss aber sagen, dass mich die Wendungen und Enthüllungen nicht unbedingt überraschen oder in Erstaunen versetzen konnten. Das heißt aber nicht, dass ich mich dadurch gelangweilt habe. Manchmal hing der Spannungsfaden einfach etwas durch, was vor allem Gunnhilds Trotzanfällen verschuldet war – dazu gleich mehr. Die letzten 20-30 Seiten sind allerdings sehr actionreich.

Das Magie-System fand ich sehr reizvoll. Es ist ein sehr offenes system, dessen Regeln und Grenzen nicht ausbuchstabiert werden. Das sorgt einerseits dafür, dass man neugierig ist, aber andererseits habe nicht immer verstanden, warum das eine möglich ist, das andere aber nicht. Die Magie im Roman ist zwar sehr präsent, aber die Geschichte an sich war nicht fantasy-lastig. Magie und Realität haben sich gut die Waage gehalten, dass ich denke, dass dieser Roman auch für Nicht-Fantay-Leser*innen ansprechend sein könnte. Besonders die Rolle des Garnspinnens hat mir richtig gut gefallen, eben weil es etwas ist, das als typisch weiblich angesehen wird und dem dann diese besondere, waffenartige Note gegeben wird.

Eine der Protagonistinnen ist Gunnhild und zu ihr hatte ich eher ein angespanntes Verhältnis. Einerseits ist Gunnhild diese freche, starke, durchsetzungsfähige junge Frau, die sich nichts sagen lässt. Andererseits ist sie vorlaut, sturköpfing und in ihrem Gebaren manchmal etas übertrieben und dadurch anstrengend. Und wie gesagt, ihre Trotzanfälle waren einfach teilweise schwer zu ertragen, weil sie die Handlung dadurch ganz schön aufgehalten haben. Auch ihre anfängliche Abneigung, ihr Hass gegen Eirik war schon etwas überzogen. Ihr Kennenlernen hatte etwas sehr Konstruiertes und das alles nur, um den „lovers-to-enemies“-Trope durchziehen zu können. Und in diesem Zusammenhang fand ich das anfängliche Drama mit Thorolf einfach nur künstlich und unnötig – und Gunnhild ist mMn nicht mal an diesem Drama Schuld. Während ihre Handlung keineswegs langweilig war, fand ich sie als Protagonistin eher uninteressant.

Oddny, Gunnhilds geschworene Schwester, war meine Favoritin. Während Gunnhild die Protagonistin sein soll, hat Oddny eine viel stärkere Charakterentwicklung und wie ich finde auch den stärkeren Plot. Sie ist zwar eher ruhiger und gemäßigter drauf als Gunnhild, dafür fand ich sie einfach ausdrucksstärker. Während der Wagnisse, die sie eingehen musste, hing ich schon ganz schön an ihr und ihrem Wohlbefinden. Dass sie gegen Ende das Gros der Anstrengung tragen muss, war für mich ein Indikator dafür, dass sie hier die eigentliche Protagonistin ist!

Die dritte im Blutschwur-Bund ist Signy, die während dem Großteil der Romanhandlung abwesend ist. Aber der Autorin gelingt es, durch die Gedanken, die Sorgen oder Gespräche der anderen Figuren diese Abwesenheit spürbar zu machen. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass ihr Schicksal ein bisschen stärker in die Geschichte eingeflossen wäre.

Der Roman ist reich an LGBTQIA-Repräsentation. Da wäre zum einen die (eventuell) demisexuelle Figur – zumindest habe ich beim Lesen diesen Eindruck bekommen, dass sich die Figur auf dem A-Spektrum befindet. Außerdem lernen wir eine trans Figur kennen, die der Love Interest einer anderen Figur ist. Was ich schade fand, dass die Repräsentation auf den Schultern von Nebenfiguren lastet. Auch habe ich mich gefragt, ob die Akzeptanz der trans Person nicht ein bisschen zu positiv bis neutral dargestellt wurde. Dass es trans Personen zu der Zeit gab, ist für mich glasklar, sie wurden nur einfach aus der Geschichtsschreibung gestrichen. Aber ich befürchte, dass die damalige Gesellschaft nicht weniger diskriminierender war, wie unsere heutige. Aber das ist nur mein Eindruck einer cis Frau. Da gibt es bestimmt andere Stimmen, die dazu mehr sagen können. Auch, dass eine Figur offenbar an Dysmenorrhoe leidet, fand ich erfreulich (zwar weniger für die Figur…). Nur schade, dass es zu Beginn so extrem betont wird und im Verlauf der Geschichte so gut wie keine Rolle mehr spielt, fand ich dann doch etwas schade. Aber es war wenigstens etwas!

Man könnte schon sagen, dass der Roman eine feministische Perspektive einnimmt. Im Vordergrund der Geschichte stehen Frauen, die sich nicht unterbuttern lassen, die ihren eigenen Weg suchen und die sich nicht von bzw über Männer definieren. Dieser Fokus hat mir sehr gut gefallen, auch wenn er teilweise ein bisschen zu modern und zu kitschig umgesetzt war und dadurch die historisch(-fiktionale) Linse etwas trübte.


Mein Fazit

„The Weaver and the Witch Queen“ von Genevieve Gornichec war ein abwechlunsgreicher, historisch-fiktionaler Roman, der sich an Fantasy-Elementen bedient und nicht in jeder Hinsicht geschichtstreu ist (manche der historischen Persönlichkeit sind zum Zeitpunkt der Handlung bspw schon verstorben – das hat mich aber nicht groß gestört). Punkten konnte der Roman bei mir vor allem mit der Handlung und mit der Figur Oddny. Schwachpunkte sehe ich beim Schreibstil und beim World Building.


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